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EIN TEUFLISCHES ERLEBNIS
- Geschichte eines Lokführers -
 

Helmut Köpfer erinnert sich noch lebhaft an ein teuflisches Erlebnis mit den ersten Einsätzen der 44 auf der Schwarzwaldbahn 1962. Im 792 Meter langen Eisenbergtunnel kurz vor Niederwasser hatte die Bundesbahn die Schienen ausgewechselt und der erste Planzug auf dem noch rostigen Gleis war ein 900-Tonnen-Güterzug, bespannt mit einer 44 und einer nachschiebenden 44. Köpfer stand am Regler der Schiebelok. Plötzlich begannen die Räder der Zuglok durchzudrehen. "Schieben was geht" dachte sich Köpfer und riß den Regler bis zum Anschlag hoch. Nur mittels Sanden gelang es ihm, den 900-t Zug samt dahinrutschenden Zuglok von der kritischen Stelle wegzuschieben. Das Gespann nahm langsam Fahrt auf, bis Köpfers Schiebelok auch zu Schleudern anfing - ein Ruck ging durch die Güterwagen, die Treibachsen fingen an durchzudrehen. Im dichten Qualm tastete das Personal mit der Kohleschaufel an die Wand nur um Gewißheit zu bekommen, ob man bereits fährt oder rückwärts rutscht. Doch nichts dergleichen. Die schiebende 44 blieb hängen, der Blick auf das Bremsmanometer und mehrere anschließende Füllstöße ließen das Personal wissen: Der Zug war gerissen - in einem völlig verqualmten Tunnel.

Dann tastete sich der Heizer langsam bis zur Trennstelle vor und die Luftleitungen zu schließen. Zwei Drittel der Zuglast, also 600t, hingen nun an der Zuglok, 100 t mehr, als es die Lastentafel erlaubte. Doch die ziehende 44 schaffte es und donnerte mit schwerem Auspuffschlag im Kriechtempo bis Triberg. "Nichts wie raus aus dem Tunnel" dachte sich Köpfer und machte es sich zur Devise. Es gelang dem Team auch, die 300t-Last den Berg hinaufzudrücken, bis sie auf das andere Zugteil aufgeschlossen hatten. Die viereinhalb Kilometer bis Triberg waren wohl die längsten, die Köpfer jemals gefahren ist.

Sein Heizer, ein junger Mann aus Berlin, hat bald darauf den Dienst auf der Schwarzwaldbahn quittiert…


   
© by Hans-Joachim Hilbert (Eisenbahn-Magazin 6/98)